Nationalratskommission: Noch immer Lücken, die Bewerbung Jugendlicher für Tabakprodukte erlauben
Gestern hat die Gesundheitskommission des Nationalrats zum zweiten Mal die Umsetzung der vom Volk angenommenen Initiative «Kinder ohne Tabak» diskutiert. Die Beschlüsse der Kommission respektieren jedoch nur teilweise den klaren Volkswillen, dass jede Art von Tabakwerbung verboten werden soll, die Minderjährige erreicht. Für verschiedene Werbeformen wurden dehnbare Formulierungen geschmiedet, die Lücken offen lassen. Zudem wurde wieder die werbewirksame Promotion von Zigarillos auch dort erlaubt, wo Jugendliche zugegen sind.
Jede Art von Werbung – nur teilweise umgesetzt
Vor der Abstimmung über die Volksinitiative «Kinder ohne Tabak» waren sich Initianten, Bundesrat und Gegner bewusst: Ein Ja bedeutet das Aus für JEDE Art von Werbung, inklusive Promotionen und Sponsoring, die Minderjährige erreichen kann. Ein Teil der unterlegenen Gegnerschaft wollte nun nichts mehr davon wissen. Ihre Vertreter:innen haben sich in der Kommission für die verfassungswidrige Beibehaltung von hochwirksamen Werbeformen wie Verkaufsförderung durch mobiles Personal und Promotionen (auch wenn Minderjährige anwesend sind) eingesetzt und wollten dem Tabak-Sponsoring für Festivals oder ähnliche Anlässe weitreichende Möglichkeiten zugestehen. Die Kommissionsmehrheit hat nun teilweise Formulierungen beschlossen, die wohl dehnbar sind und damit noch Lücken lassen.
Der Nationalrat muss noch mögliche Lücken schliessen
So ist die Initiative und damit der Volkswille noch nicht verfassungskonform umgesetzt. Der Nationalrat muss in den folgenden Punkten noch nachbessern:
- Nachdem der Ständerat das Schlupfloch der Zigarillopromotion (auch wo Jugendliche zugegen sind) endlich aufgegeben hat, will nun plötzlich die SGK-N eine gesetzlich verankerte Ausnahme dieser Produkte kreieren. Dies wäre völlig willkürlich und kann juristisch nicht begründet werden. Gemäss einer repräsentativen Befragung der Aargauer Gymnasiasten und Berufsschüler haben innerhalb eines Monats 8 Prozent der 15- bis 17-Jährigen Zigarillos oder Zigarren geraucht[1]. Umso wichtiger ist es, dass auch Werbung für Zigarillos und Zigarren weder Kinder noch Jugendliche erreicht.
- Verkaufsförderung durch mobiles Personal ist hochgradig werbewirksam. Es gilt sicherzustellen, dass auch diese Werbeform die Minderjährigen nicht mehr erreicht.
- Beim ebenfalls hochgradig werbewirksamen Sponsoring (z.B. von Festivals) muss sichergestellt sein, dass Jugendliche weder durch grossflächige Nennung der Sponsoren noch durch Events erreicht werden.
„Wir appellieren an den Nationalrat, dass er verfassungswidrige oder verwässernde Gesetzesartikel korrigiert und Lücken schliesst, und damit den von Volk und Ständen erteilten klaren Gesetzgebungsauftrag erfüllt“, sagt der Präsident des Initiativkomitees, Hans Stöckli. „Das Parlament hat kein Recht und keine Veranlassung, unter Berufung auf die Wirtschaftsfreiheit den beschlossenen Verfassungsauftrag zur Bekämpfung von Krankheiten zu relativieren“.
Mit dem Bundesrat haben alle unabhängigen VerfassungsrechtlerInnen, welche sich öffentlich geäussert haben, unmissverständlich und einhellig dargelegt, dass das Parlament die Verfassung verletzen würde, wenn es bei der Umsetzung des von Volk und Ständen erteilten Gesetzesauftrages Ausnahmen vom Verbot der Tabakwerbung, welche Kinder und Jugendliche erreicht, machen würde.
[1] https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fpubh.2023.1076217/full